Darum geht es:
Alle fünfzig Jahre findet im Königreich Sonande das berühmte Solstasia-Turnier statt, bei dem alle Nationen des Reiches zusammenkommen, um dem Wettstreit der Champions beizuwohnen. Doch für die junge Königin Karina geht es um viel mehr: Um ihre Mutter wiederbeleben zu können, braucht sie das Herz eines Königs. Daher bietet Karina dem Gewinner des Festes ihre Hand an…
Zur gleichen Zeit kommt Malik mit seinen beiden Schwestern in die Hauptstadt Ziran, voller Hoffnung auf ein neues Leben fern von Krieg und Gewalt. Malik freut sich auf die Festlichkeiten rund um Solstasia – bis ein rachsüchtiger Geist seine kleine Schwester Nadia entführt und einen furchtbaren Preis für ihr Leben verlangt: den Tod von Königin Karina. Für Malik gibt es nur eine Chance, Karina nahe genug zu kommen, um sie zu töten: Er muss das Solstasia-Turnier gewinnen … (Klappentext von Band 1)
(c) Knaur
Meine Meinung:
Ich habe den ersten Band der Dilogie „A Song of Wraiths and Ruin“ kurz nach der Veröffentlichung im Frühjahr 2022 entdeckt, gekauft … und dann fast drei Jahre lang auf meinem Sub auf den richtigen Moment warten lassen. Irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt, um mich mit der komplexen Fantasy-Welt von Sonande zu beschäftigen, aber hier sind wir nun: Circa 33 Stunden und zwei Hörbücher später habe ich die Dilogie beendet und Leute, ich habe viele Gedanken.
Worldbuilding:
Wie der Reihentitel bereits verrät, spielt die Handlung im Reich von Sonande, einer westafrikanisch-inspirierten Welt, von der wir leider im Zuge der Dilogie nur einen kleinen Teil kennenlernen. Im ersten Band befinden wir uns fast ausschließlich in Ziran, der Hauptstadt, während wir im zweiten Band auch die Grenzen dieser passieren.
Sonande zeichnet sich durch weite Wüsten, eine gänzlich dunkelhäutige und Schwarze Bevölkerung und eine eindrucksvolle Götter- und Geisterwelt aus. Gerade letzteres finde ich sehr faszinierend. In dieser Welt bestimmt der Zeitpunkt der Geburt, nach welcher Gottheit sich das Leben einer Person ausrichten wird – und bei denen, die Magie im Blut haben, wird dadurch aus die Art der Magie bestimmt.
Ganz spannend (und irgendwie ziemlich traurig) finde ich ebenfalls, dass selbst in dieser BIPOC-normativen Welt trotzdem Rassismus aufgrund der Herkunft existiert, was die Handlung deutlich beeinflusst und ein wiederkehrender Konfliktpunkt beider Bände darstellt.
Normalerweise bevorzuge ich meine Fantasy in unserer Welt oder mit einem etwas weniger komplexen Worldbuilding, um meine grauen Zellen nicht allzu sehr zu beanspuren, doch in dieser Reihe hat sich die Welt bereits nach kurzer Zeit sehr natürlich angefühlt. Als wäre es egal, dass ich noch lange nicht alles über Sonande weiß, weil ich alles weiß, um mich in diesem Moment in der Welt zurechtzufinden, und den Rest erfahren werde, wenn es notwendig ist. Außerdem, ist es nicht das, was ein gutes Worldbuilding ausmacht? Dass es einem*r nicht von Anfang an alle Geheimnisse auf dem Silbertablett serviert? Tatsächlich bin ich überzeugt davon, dass Sonande mir selbst nach Beendigung der Bücher noch nicht alles verraten hat, was es über diese Welt zu wissen gibt.
Handlung:
Okay, wo fange ich an? Ihr habt den Klappentext (weiter oben) gelesen und wisst, dass es sich um das Solstasia-Turnier dreht: Einen Wettkampf, bei dem die 7 Champions der 7 Gottheiten antreten. Der*Die Gewinner*in leutet mit seinem*ihren Sieg ein neues Zeitalter für seine*ihre Gottheit ein. Begleitend dazu gibt es ein riesiges Fest, aber nicht allen ist nach Feiern zumute.
Kurz vor Beginn wird Prinzessin Karinas Mutter umgebracht und während der Rat sowie Karinas Bruder Farid alles in ihrer Macht stehende tun, um den Tod der Königin zu vertuschen, muss Karina die Solstasia-Feierlichkeiten leiten. Gleichzeitig schmiedet sie einen Plan, ihre Mutter mithilfe eines Rituals ins Leben zurückzuholen. Dazu muss jedoch der Gewinner von Solstasia sterben (männliche Form beabsichtigt).
Gleichzeitig kommen Malik und seine beiden Schwestern in Ziran an. Mit gefälschten Papieren, da sie aus ihrer Heimat geflohen sind. Durch eine unglückliche Aneinanderkettung von Ereignissen gelangt seine jüngste Schwester in die Fänge eines Dämons und dieser will im Austausch für Nadia, dass Malik die Prinzessin tötet.
So weit, so gut … damit ist die Handlung von Band 1 ganz gut wiedergegeben, aber lasst euch nicht täuschen. Es geht um so viel mehr als darum, die Königin wiederzuerwecken und Nadia zu befreien. Doch das volle Ausmaß der Geschichte ergibt sich erst im zweiten Band, der deutlich krasser, spannender und actiongeladener ist. Ich wünschte, ich könnte meine Gefühle beim Hören mit euch teilen, um euch nur einen kleinen Vorgeschmack auf alles zu geben, was diese Reihe beeinhaltet, aber damit würde ich euch spoilern – und das wollen wir natürlich nicht.
Verlasst euch einfach drauf, wenn ich sage: Diese Geschichte, von Anfang bis zum bitteren Ende ist ein absolutes Meisterwerk von Erzähltechnik. Zugegeben, in der Mitte gab es mitunter 1-2 Kapitel, die sich etwas in die Länge gezogen angefühlt haben, aber dass ich in den letzten Minuten sogar ein paar Tränchen verdrücken musste, macht das wieder wett.
Charaktere:
Karina ist zu Beginn eine extrovertierte junge Frau, die es mit den Regeln gerne nicht allzu genau nimmt. Sie überspielt die Trauer über den Verlust ihrer großen Schwester und ihres Vaters gekonnt mit schlagfertigen Kommentaren und nächtlichen Ausflügen in die nächste zwielichtige Spelunke. Als ihre Mutter umgebracht wird, sieht sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation. Nicht nur hat sie das letzte Mitglied ihrer leiblichen Familie verloren (Farid war das Mündel der Königin und sie sind als Geschwister aufgewachsen, jedoch nicht blutsverwandt) und nicht einmal die Zeit, um um sie zu trauern. Stattdessen muss sie nun in die Rolle ihrer Mutter schlüpfen, Solstasia leiten und anschließend ihren Platz als Königin einnehmen. Einen Platz, in dem sie sich nie gesehen hat.
Im Laufe der Handlung wird Karina oft an ihre Grenzen gebracht und ist damit gezwungen, stets und ständig über sich hinauszuwachsen. So wird aus dem Teenager-Mädchen, das von Verpflichtungen nichts hält, eine starke Kriegerin und eine Herrscherin, die ihrem Reich würdig ist. Ihre Entwicklung mitzuerleben, war etwas ganz Besonderes, einfach weil es sehr schleichend, aber dennoch auf natürliche, authentische Art und Weise passiert.
Malik startet die Geschichte als introvertierter, ängstlicher junge Mann, der mit Panikattacken zu kämpfen hat, aber alles tun würde, um seine Schwestern zu beschützen. Er ist kein Krieger, eher ein Erzähler mit dem Herz am rechten Fleck. Doch diese Welt lehrt ihm viel schneller, als ihm bewusst ist, dass man manchmal Dinge tun muss, die gegen die eigenen Moralvorstellungen verstoßen.
Auch er verändert sich um Laufe der beiden Bücher – und das nicht immer zum Positiven. Er wird stärker (sowohl körperlich, als auch in Bezug auf Willensstärke), tut Dinge, die er bereut, und trifft falsche Entscheidungen. Doch genau diese bringen ihn am Ende zurück auf den richtigen Weg.
Eine ganz fantastische Charakterentwicklung, die – wie ich unbedingt betonen muss – beide Hauptfiguren unabhängig voneinander durchlebt haben. Denn obwohl es eine Liebesgeschichte gibt, steht diese gar nicht so sehr im Fokus und vielleicht wird das Ende dieser den*die ein oder andere*n Lesende*n enttäuschen – ich jedenfalls empfand es als genau richtig.
Im Großen und Ganzen:
„Das Reich von Sonande“ von Roseanne A. Brown ist eine High-Fantasy-Dilogie, wie ich sie noch nie zuvor gelesen habe. Von der Welt über die Handlung, die deutlich größer ist, als sie zu Beginn scheint, bis hin zu diesen unfassbar facettenreichen Charakteren – alles daran ist ein Meisterwerk.
Weitere Informationen:
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- Titel: A Song of Wraiths and Ruin
- Reihe: Das Reich von Sonande #1
- Autor*in: Roseanne A. Brown
- Verlag: Knaur
- Seiten: 512
- ISBN: 978-3426528143
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