Darum geht es:
»Aber Happy-Ends sind nur Geschichten, die noch nicht beendet sind, richtig?«
Pangea, 2121: Der Alltag der Menschheit wird von den Soulchips bestimmt. Diese sorgen dafür, dass jedes Individuum sein genetisch perfekt passendes Gegenstück trifft. Virginie Duchannes ist dabei nur eine unter Millionen, die ihren Seelenpartner bereits getroffen hat. Seit zwei Jahren lebt die 20-Jährige mit ihrem Freund Ilay in einer glücklichen Beziehung und kann sich ein Leben ohne ihn längst nicht mehr vorstellen. Als sie dann jedoch zufällig dem unscheinbaren Joah begegnet, dem Jungen mit den vielen Wunden, wird plötzlich ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt und ein schicksalhaftes Spiel um Leben und Tod beginnt.
Wie finde ich das?
!!!Spoiler!!!
Es ist nun schon eine ganze Weile her, seit ich „What if“ von Melina Coniglio gelesen oder mich – genauer gesagt – durchgekämpft habe. Mir blieb also genug Zeit, um mir meine Gedanken zu dem Buch zu machen, aber egal, wie ich es drehe und wende, finde ich leider nur wenig, was ich daran positiv finde. Aus diesem Grund und weil ich Handlungspunkte verraten muss, um meine Meinung verständlich zu machen, versuche ich gar nicht erst, eine spoilerfreie Rezension zu schreiben. Deshalb: Fühlt euch gewarnt.
„What if“ beginnt etwa hundert Jahre in der Zukunft. In einem Prolog-artigen ersten Kapitel lernen wir Cassandra kennen, den Kopf hinter dem für jede Dystopie obligatorischen System, hier bekannt als „Die Kartei“. So wird in wenigen Seiten erzählt, dass es nur noch einen großen Kontinent namens Pangea gibt und „Die Kartei“ dafür sorgt, dass jedem Neugeborenen ein sogenannter Soulchip eingepflanzt wird. Dieser Chip reagiert, wenn man auf den genetisch am besten kompatiblen Menschen trifft und ihn berührt. Damit hat man seinen Seelenpartner gefunden, ein Mal auf dem Arm symbolisiert es. Findet man ihn nicht bis zu seinem einundzwanzigsten Lebensjahr, beginnt der Soulchip, Gift in den Körper zu pumpen. Ab da bleibt Zeit bis zum dreißigsten Lebensjahr, sonst stirbt man unweigerlich. Ziemlich brutal, oder? Die Idee finde ich tatsächlich sehr interessant und faszinierend. Zwar erinnert mich die Sache mit dem genetisch besten Partner ein wenig an die Prämisse von „Cassia und Ky“ von Ally Condie, aber in Dystopien das Rat neuzuerfinden, ist ohnehin schwierig.
Eigentlich wollte ich mit der Handlung beginnen, aber um meinen Unmut über „What if“ zu verstehen, erkläre ich zunächst, wieso ich mit der Perspektive des Buches überhaupt nicht zurecht kam. Bis zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht benennen, ob die Autorin sich einem personellen oder einem allwissenden Erzähler bedient hat. Sie beschreibt das Geschehen aus der dritten Person, mal weiß der Erzähler nur das, was die Figur weiß, mal mehr. Wäre eine gewisse Kontinuität vorhanden, wäre das in Ordnung, aber sie springt wild durch die Erzählperspektiven und das hat mich beim Lesen einige Nerven gekostet. Mal ganz davon abgesehen, dass Sätze wie „Noch wusste er nicht, dass er seine Seelenpartnerin bald treffen würde“ (sinngemäß) die Spannung erheblich ruinieren und die Autorin es darüber hinaus nicht geschafft hat, dass ich auch nur zu einer einzigen Figur eine Verbindung aufgebaut habe.
Die Geschichte beginnt mit Virginie. Sie hat ihren Seelenpartner vor zwei Jahren gefunden, lebt in seinem schicken Haus, hat eine Katze und allen Grund, um glücklich zu sein. Blöderweise weiß sie weder, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, noch, wie sie für die Leser sympathisch herüberkommt. Ihre dramatische Backstory ist schwammig und ihre Stimmungsschwankungen, die zum Teil von einem Satz auf den nächsten folgen, einfach nur nervig. Ihr Seelenpartner Ilay ist ein richtiges Arschloch. Das ist zwar so gewollt, schlägt aber einige Male so sehr über die Stränge, dass ich im Begriff war, aufzugeben.
Zum Glück taucht dann Joah auf. Zwischen all den unsympathischen Charakteren, von denen es leider sehr viele gibt, ist er der Lichtstreif am Horizont. Ich kann absolut nachvollziehen, wieso Virginie sich in ihn verliebt hat (obwohl mir das viel zu schnell ging), nur fällt es mir in der anderen Richtung schwer. Was findet Joah an Virginie? Die beiden treffen sich in der Unibibliothek, wo Virginie ausharrt, während ihre beste Freundin bei ihrem Kurs ist und ab da geht die Handlung nur noch um die verdrehte Dreiecksgeschichte zwischen Virginie, Ilay und Joah.
Während ich gerne mehr über Joahs Leben erfahren hätte und darüber, wie er damit umgeht, dass sein Soulchip bereits kontinuierlich Gift in seinen Körper pumpt, folgen wir Virginie, wie sie nicht auf die Idee kommt, beiden Kerlen reinen Wein einzuschenken (und es später nur aus der Not heraus tut) und darüber hinaus den Kerl betrügt, mit dem sie seit Jahren zusammen ist und der sie von der Straße geholt hat. Letztendlich kommt sie nicht einmal selbst darauf, Hilfe bei denen zu suchen, die für den ganzen Schlamassel verantwortlich sind: Cassandra und „Die Kartei“.
Nun habe ich genug Dystopien gelesen, um zu wissen, dass es niemals eine gute Idee ist, sich vor den Oberhäuptern eines Systems als offensichtlicher Fehler outen, aber nun ja, das wusste Virginie wohl nicht. Und – Glück für sie – endet das Buch nicht mit einem Schuss in ihren Kopf – obwohl das eine ziemlich coole Wendung gewesen wäre. Und realistisch, wenn ich so an das Ende des Buches denke -, stattdessen erhält Virginie auf der Stelle eine Audienz bei Cassandra persönlich. Die Wissenschaftlerin wusste die ganze Zeit, was los ist. Offenbar hat sie sich ihrer Kartei so verschrieben, dass sie sogar aus dem Schlaf aufschreckt, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Und Cassandra hat direkt die Lösung: Virginie muss sich entscheiden. Der Mann, den sie wählt, bleibt ihr Seelenpartner. Der andere wird aus der Stadt weggebracht und darf leben – bis er dreißig wird und durch das Gift stirbt.
Stellt euch an dieser Stelle mein Augenrollen vor. So einfach ist das also. Wie Virginies Entscheidung funktioniert und wie der Soulchip davon Wind bekommt, wird nicht erklärt, aber hey, wenn Cassandra Systemfehler spüren kann, sollte so ein Chip auch mitkriegen, für wen Virginies Herz schlägt. Blöderweise ist die sich nicht sicher, doch auch das macht nichts, denn Ilay beweist, was für fantastische Qualitäten er hat, indem er Joah aus Eifersucht fast tot prügelt. Großartig. Wirklich. So muss Virginie sich nicht entscheiden – wie könnte sie mit jemandem zusammen sein, der die Liebe ihres Lebens fast umbringt? – aber aus mir unbekannten Gründen will sie trotzdem noch aus eine Aussprache. Ich gehe mal davon auf, diese Szene dient nur der Dramatik, denn anstatt dass Ilay die nächsten Jahre außerhalb der Stadt und fern von Virginie leben darf, wird er erschossen. Tja, da waren es nur noch zwei.
Um das Ganze abzurunden, tauchen genau in dem Moment, in dem der Systemfehler behoben wurde, aber weitere auf und Cassandra wird etwas klar: Nicht die Menschen sind die Fehler, sie selbst ist es (WTF?!) und deshalb sieht sie keinen anderen Weg, als sich umzubringen. Mit ihrem Tod hört auch „Die Kartei“ auf, zu existieren, und ein Jahr später ist bereits alles gut. Ende. Seitdem ich den letzten Satz des Buches gelesen habe, frage ich mich: Was wäre, wenn ich dieses Buch niemals gelesen hätte?
Nun, dann hätte ich vermutlich etwas gelesen, was mir mehr Freude gemacht hätte, aber ihr hättet im Umkehrschluss nicht diese Rezension von mir lesen können.
Im Großen und Ganzen…
„What if“ von Melina Coniglio besticht zwar durch ein faszinierendes Gedankenspiel, kann allerdings nicht in der Umsetzung dessen punkten. Stereotype Figuren, zu denen eine Bindung aufzubauen, praktisch unmöglich ist, ein löchriges Worldbuilding und eine höchst verwirrende Erzählperspektive befördern dieses Buch aufs Treppchen meiner Flops des Jahres 2019.
Weitere Informationen
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- Titel: What if
- Reihe: /
- Autorin: Melina Coniglio
- Verlag: Talawah Verlag
- Seiten: 216
- Preis: 3,99 € (E-Book) | 12,90 € (Taschenbuch)
- ISBN: 9783947550371
Weitere Informationen findet ihr hier.
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