Der einsame Bahnhof in Weidenborstel ist Flinns Rückszugsort, seitdem ihr großer Halbbruder vor zwei Jahren an genau diesem Ort spurlos verschwunden ist. Eine Postkarte ist alles, was ihr von ihm geblieben ist. Das Motiv einer Lokomotive kann jedoch nur sie sehen, während alle anderen dort eine alte Draisine erkennen. Als eines Nachts aber genau dieser Zug am Gleis 2 des Weidenborsteler Bahnhof einrollt, ist Flinn sich sicher: Mit diesem Zug ist ihr Bruder verschwunden. Kurzentschlossen springt sie an Bord und stürzt sich damit in ein atemberaubendes Abenteuer im Welten-Express, einem magietechnologischen Internat für außergewöhnliche Kinder, angetrieben von Kohle und Dampf …
Ich entschuldige mich vorweg schon mal für diese Welle an Fangirling, die nun unweigerlich folgen wird, denn ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ein wirklich geniales Middlegrade-Buch gelesen habe. Der Welten-Express hat mich in seinen Bann gezogen und ich muss sagen, das schlechteste an dem Buch ist eindeutig, dass es vorbei ist und die Fortsetzung erst im Herbst 2019 geplant ist. Daher ein großes Dankeschön an Anna von The Anna Diaries (ich verlinke ihre Rezension unten.) für die Empfehlung.
Ein fahrendes Internat – wie cool ist das denn?
Schon vor dem Lesen fand ich die Idee mit dem Welten-Express, einem fahrenden Internat für außergewöhnliche Kinder, sehr interessant. So etwas gab es meines Wissens vorher noch nicht und die Autorin hat sich bei der Umsetzung förmlich übertroffen. Nicht nur schafft sie es, die einzelnen Waggons so schön zu beschreiben, dass man sich auf der Stelle wünscht, dort unterrichtet zu werden, sondern hat auch ein ganzes System drum herum aufgebaut. Es gibt sogar eine Art Schulbehörde für den Welten-Express, eigenes Zuggeld, das an Bahnhöfen in die richtige Landeswährung getauscht werden kann, und eine richtig lange Liste mit Schulregeln.
Die Schüler des Welten-Expresses werden aufgrund der Schulfarbe – Petrol – Pfauen genannt und sind die Kinder, die zu einer großen, außergewöhnlichen Zukunft bestimmt sind. Sie werden Abenteurer, Forscher, Künstler und einige wichtige Persönlichkeiten der Weltgeschichte haben dort ihren Abschluss gemacht. Obwohl der Welten-Express eine Schule ist, folgt der Stundenplan seinen eigenen Regeln, der den Pfauen – mal abgesehen von den Schulregeln – viele Freiheiten lässt. Normalen Unterricht gibt es auch nicht, stattdessen wird „Heldentum“, „Kampfkunst“ und „Strategie und Zuversicht“ unterrichtet, Dinge, die die Pfauen wirklich brauchen können, um durchs Leben zu kommen.
Anca Sturm hat es geschafft, einen wahren Zauber über diesen Zug – und damit auch über das Buch – zu legen, der den Leser direkt in seinen Bann zieht und nicht mehr gehen lässt. Das Gefühl von Freiheit und Selbstfindung, ebenso wie von Geheimnissen und Abenteuern liegt in jeder Seite des Buches, genauso wie in jedem Waggon des Welten-Expresses.
Mit an Bord: Geheimnisse, Magie und eine blinde Passagierin
Flinn springt nur aus einem Grund auf den Welten-Express auf: Um ihren großen Halbbruder Jonte zu finden. Dieser ist nämlich vor zwei Jahren – als er dreizehn war, so alt wie Flinn jetzt – mit eben diesem Zug verschwunden. Aber er ist nicht an Bord und auch sonst niemand redet von ihm. Als wäre er auch von dort verschwunden. Damit will Flinn sich aber nicht zufriedengeben. Mit ihren neuen Freunden Kasim und Pegs und Fedor, der vielleicht mehr ist als ein Freund, macht sie sich auf die Suche nach des Rätsels Lösung und entdeckt dabei immer mehr von der Magie des Welten-Expresses.
Aber nicht alle Bewohner des Welten-Expresses sind ihr freundlich gesinnt. Wie in jeder Schule gibt es auch hier Mitschüler, die sowohl die Protagonisten als auch die Leser auf Anhieb nicht leiden können, sowie Aufsichtspersonen, die die Helden gerne mal sabotieren. Dieses Aspekt des Buches ist nicht unbedingt neu und kommt in so gut wie jedem Academy-Buch vor, aber Anca Sturm hat die Geheimnisse, die sich um den Zug ranken, und die Absichten unserer „Antagonisten“ so genial in die Handlung verwoben, dass man als Leser ebenso mitfiebern muss wie die Protagonisten.
Unsere Protagonistin Flinn habe ich direkt liebgewonnen. Schon auf der ersten Seite, die sie als schüchtern und unsicheres, aber auch mutiges junges Mädchen einführt, wusste ich, dass ich sie mögen würde und dieser Verdacht hat sich nur wenig später bestätigt. Ihre Entwicklung während des ersten Bandes der Trilogie macht aus ihrer eine wahre Heldin, auf deren weitere Abenteuer ich mich schon sehr freue.
Der Schreibstil: ebenso magisch
Kennt ihr diese Bücher, die beginnt ihr in einer freien Minute und wollt dann am liebsten gar nicht mehr aufhören, weil das Feeling euch schon auf den ersten Seiten so in die Story hereingezogen hat? Der Welten-Express gehört definitiv dazu. Ungewohnt für meinen Lesegeschmack, aber dennoch sehr passend, ist die Geschichte aus der personellen Erzählform geschrieben, trotzt nur so vor Magie und Abenteuern, so dass man gar nicht anders kann, als weiterzulesen.
„Der Welten-Express“ hat auf ganzer Linie überzeugen können mit großartigen Charakteren, verborgenen Geheimnissen und einem fahrenden Internat, das fast eine eigene Welt darstellt. Anca Sturm hat ein wirklich herausragendes Middlegrade-Buch geschrieben, dass sogar „Harry Potter“ in diesem Genre vom Thron stößt. Flinn Nachtigall ist einfach so viel cooler, die Magie greifbarer und das nächste Abenteuer wartet schon.
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- Titel: Der Welten-Express
- Autorin. Anca Sturm
- Reihe: Welten-Express #1
- Verlag: Carlsen Verlag
- Seiten: 384
- Preis: 14,99 € (Hardcover) | 10,99 € (E-Book)
- ISBN: 978-3-551-65411-3
Weitere Informationen findet ihr hier**.
Ich danke dem Carlsen Verlag für das Rezensionsexemplar.
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